Die letzten Reporter

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Der Journalismus verändert sich. Was hinter dieser Binsenweisheit steht, beleuchtet Jean Boué mit seiner Dokumentation „Die letzten Reporter“. Im Mittelpunkt stehen drei Journalisten, deren Herz für das Lokale schlägt. Von Rüben, Kinderfußball und Bierfesten berichten sie, scheinbar banalem, das in einer globalisierten Welt jedoch von wachsender Bedeutung erscheint.

Website: www.die-letzten-reporter.de

Dokumentation
Deutschland 2020
Regie: Jean Boué
Länge: 94 Minuten
Verleih: imFilm Verleih
Kinostart: 3.6.2021

FILMKRITIK:

Seit 25 Jahren berichtet Tom Willmann für die Schweriner Volkszeitung. Als Sportreporter besucht er lokale Wettbewerbe in Mecklenburg-Vorpommern, vom Radballturnier über Leichtathletikfeste bis zu Fußballturnieren. Wenn er auftaucht, wissen die Veranstalter, das über das Turnier berichtet wird und eine gewisse Aufmerksamkeit ensteht. Sein Hobby habe er zum Beruf gemacht, erzählt Willmann, da er stets am Wochenende unterwegs ist, sei zwar seine Ehe in die Brüche gegangen, doch sein Herz schlägt augenscheinlich für den Lokalsport.

Doch nun soll er nicht mehr nur für die Printausgabe der Zeitung Texte schreiben, sondern auch online berichten, bei Instagram oder Facebook kurze Nachrichtenschnipsel absetzen, den sich verändernden Bedürfnissen der Leser Genüge tun.

Ähnlich geht es Werner Hülsmann von den Osnabrücker Nachrichten, einem Anzeigenblatt, das hunderttausendfach in den Briefkästen liegt, dessen redaktioneller Teil jedoch immer mehr an Bedeutung verliert. Hülsmann ist der letzte verbliebene Kulturredakteur, der in seiner seit 30 Jahren erscheinenden Kolumne „Werners Cocktail“ über Klatsch und Tratsch der niedersächsischen Stadt berichtet. Scherzhaft bezeichnet er sich als lokaler Baby Schimmerlos, in Anlehnung an die Reporterlegende aus Helmut Dietls berühmter Journalisten-Serie „Kir Royal.“

Die mit Abstand jüngste Reporterin, die Jean Boué in seiner Dokumentation porträtiert, ist Anna Petersen, die für die Landeszeitung Lüneburg berichtet. Über die Feuerwehr schreibt sie etwa, bei der auch ein syrischer Flüchtling arbeitet, über Probleme der Landwirtschaft, über Kinderheime. Für sie sind die sozialen Medien Alltag. Dass sie nicht mehr nur schreiben, sondern auch kurze Filmbeiträge erstellen muss, verändert auch ihren Alltag als Journalistin. Immer mehr Aufgaben wollen erfüllt werden, reine Beobachtung reicht nicht mehr aus, Fotos wollen geschossen, O-Töne eingefangen werden. Nicht mehr nur ein Artikel will geschrieben, sondern kurze Nachrichten bzw. News abgesetzt werden, was der Qualität des einen wie des anderen nicht unbedingt zuträglich ist.

Von einer Branche im Umbruch erzählt Jean Boué in seiner Dokumentation „Die letzten Reporter“, die aber vor allem eins ist: Eine Ode an den Lokaljournalismus. Eigentlich ein Produkt, dass in einer zunehmend globalisierten Welt anachronistisch wirken sollte, in einer Welt, in der die großen, überregionalen Zeitungen intensivst über ferne Ereignisse wie die amerikanischen Präsidentschaftswahlen berichten, aber immer weniger darüber, was in nächster Nähe passiert. In diese Lücke stoßen die Lokalzeitungen, bieten ihrer erstaunlich stabilen Leserschaft Nachrichten aus der Umgebung. Piefig könnte man das nennen oder einfach heimatverbunden. So oder so zeigen die Erfahrungen der drei Lokalreporter vor allem eins: Veränderungen müssen nicht notwendigerweise negativ sein, sondern können auch eine Chance bedeuten.

Michael Meyns