Drei Wiener Hipsterpärchen um die Dreißig werden Eltern. In ihrem zweiten Spielfilm erzählt Marie Kreutzer („Die Vaterlosen“) davon, wie Stella, Markus, Mignon, Luis, Ines und Chris an ihrem bisherigen, vermeintlich obercoolen Leben festhalten wollen und wie das auf ganzer Linie scheitert. Eine fröhliche, lebensnahe Großstadtkomödie mit schlagfertigen Dialogen und einem großartigen Ensemble.
Webseite: www.movienetfilm.de
Österreich 2016
Regie: Marie Kreutzer
Drehbuch: Marie Kreutzer
Darsteller: Vicky Krieps, Marcel Mohab, Pia Hierzegger, Manuel Rubey, Pheline Roggan, Andreas Kiendl
Länge: 96 Minuten
Verleih: Movienet Filmverleih
Kinostart: 09.02.2017
FILMKRITIK:
Drei Hipsterpärchen Ende Zwanzig, Anfang Dreißig. Der Schauplatz ist Wien, könnte - sieht man mal vom charmant-ruppigen Wiener Schmäh ab - aber auch Berlin oder Hamburg sein. München vielleicht weniger, dafür sind unsere Heldinnen und Heldinnen doch zu zerzaust und zu verpeilt. Sie alle machen irgendetwas mit Medien, Kunst oder Computern, scheinen damit gut durchzukommen ohne wirklich erfolgreich zu sein, fühlen sich offensichtlich wohl mit ihren Gadgets, Altbauwohnungen, Projekten und ihren Stilentscheidungen, die ebenso individuell wie generisch sind. Eigentlich könnte es immer so weiter gehen. Dann trinkt Stella beim gemeinsamen Weihnachtsessen auf einmal nur noch Sprudel und ihr Liebster Markus verkündet stolz: Na, fällt euch was auf? Die Reaktionen der Freunde sind lakonisch-skeptisch-amüsiert, also eher enttäuschend, aber irgendwie ist das Kinderthema damit auf dem Tisch und alle ziehen nach. Aus den drei locker gestrickten Paaren werden eng verkeilte Vater-Mutter-Kind-Einheiten.
In ihrer fröhlichen Großstadtelternkomödie erzählt Marie Kreutzer davon, wie alle sich bemühen, am alten, coolen Leben festzuhalten und wie das bei allen spektakulär, amüsant und selbstverständlich scheitert. Das erste, was sich ändert, ist die Lässigkeit. Was früher Lifestyleentscheidungen waren, werden Glaubenskriege, wenn es ums Kindeswohl geht. Kommt eine PDA in Frage oder ist das zu wenig Bio? Und darf der werdende Vater mitentscheiden? Windeln oder keine Windeln? Und was darf in der Kita ins Müsli? Das nächste, was dran glauben muss, ist die Paardynamik. Derjenige oder diejenige mit dem engsten Bezug zum Kind, hat auf einmal das Sagen und die Nummer Drei kann sehen, wo sie bleibt. Und schließlich, und zuletzt bemerkt, gehen die Lebenspläne drauf, wenn sich alles nur noch ums Kind und um das Elternsein dreht.
Alle sechs Eltern, dargestellt von einem sehr sympathischen alltagsnahen Ensemble, sind unterschiedlich gelagert und durchaus exemplarische Typen: Stella und Markus sind mehr die Pragmatiker, die das Kind gemeinsam schaukeln wollen: Der Papa kocht, die Mutti ist erleichtert, jetzt auch ganz offiziell bequeme Klamotten anziehen zu können. Bei Mignon und Luis hat Mignon alles fest im Griff, vom Ernährungsplan bis zur psychologischen Früherziehung. Ines ist sich dagegen gar nicht so sicher, ob sie überhaupt mit Chris zusammen sein will und ein Kind wollte sie auch nie. Die Konflikte, die sich aus dieser Gemengelage ergeben, verhandelt „Was hat uns bloß so ruiniert“ in schlagfertigen Dialogen und in einer episodischen Struktur, die den Drive einer erstklassigen Serie entwickelt.
Kreutzer spitzt die Situationen zu - aber nur ein ganz kleines bisschen. Mehr braucht es gar nicht, damit die von den Beteiligten als existenziell empfundene Lebenslage ins Komische kippt. Dabei hat „Was hat uns bloß so ruiniert“ durchweg große Sympathie für alle. Es ist nicht lächerlich, wenn Leute ins Schleudern geraten, weil Erwartungen und Träume komplett neu justiert werden müssen, aber es ist ziemlich lustig, ihnen bei der Sortierarbeit zuzusehen.
Hendrike Bake