Ordnung in das Chaos der Welt zu bringen, die unermessliche Informationsflut in ein verständliches Muster zu gießen, Gemeinsamkeiten im völlig Verschiedenen zu finden: Um all diese Aspekte geht es in „Vom Ordnen der Dinge“, einem essayistischen Dokumentarfilm von Jürgen Brügger, Jörg Haaßengier, der mit einem wahren Potpourri skurriler Gestalten aufwartet.
Webseite: www.movienetfilm.de
Deutschland 2013 - Dokumentation
Regie, Buch: Jürgen Brügger, Jörg Haaßengier
Länge: 85 Minuten
Verleih: Movienet
Kinostart: 29. Mai 2014
FILMKRITIK:
Vom Ordnen der Dinge besessen: Da ist zum Beispiel der ehemalige Postbeamte, der seit seiner Pensionierung viel Zeit damit verbringt auf den Parkplätzen seines kleinen Heimatstädtchens zu zählen, wie viele Autos vorwärts und wie viele Rückwärts einparken. Weitere Interessen: Wie viele Dosen und Flaschen weggeworfen werden, die Erfolgschancen der Kandidaten bei „Wer wird Millionär?“ und manches andere. Ähnlich merkwürdig mutet der ebenfalls ältere Herr an, der festgestellt hat, dass das Muster auf dem Rücken einer Schildkröte vielen anderen ähnelt, die man in der Natur findet. Doch es sind nicht nur ältere Herrschaften mit viel Zeit, die sich mit solchen Dingen beschäftigen: Ein Mann in den 30ern misst täglich sein Gewicht, die Temperatur, Blutdruck und anderes, um festzustellen, wie Medikamente auf ihn wirken.
Etwas lebensnaher wirkt da die Arbeit eines Mikrobiologen, der das DSMZ leitet, die „Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen“, in der zwar zehntausende Bakterien archiviert sind, was aber nur ein Bruchteil der bakteriologischen Vielfalt abbildet. Doch warum sollte man Bakterien archivieren? Um Möglicherweise mit ihrer Hilfe Ursachen von Krankheiten oder Heilmethoden zu entwickeln.
Ebenso nützlich erscheint die Arbeit einiger Geodäten, die anhand von tausenden Messpunkten feststellen, ob sich die Republik bewegt. Doch was macht man mit dem Überfluss an Daten, das erzeugt wird und belegt, dass ein Berg um Millimeter gewachsen oder geschrumpft ist? Hier beginnt man langsam zu ahnen, worauf die Regisseure Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier mit ihrem Film hinauswollen. Es geht ihnen nicht einfach darum, skurrile Gestalten zu zeigen, die merkwürdigen Hobbys nachgehen und sich in einer eigenen Welt aus Statistik, Daten und für den Außenstehenden nur bedingt Sinn machenden Überlegungen bewegen. Denn der Versuch, die Welt zu ordnen führt bisweilen auch dazu, dass Entwicklungen verzögert werden oder gar nicht erst begonnen werden. Als Beispiel wird der Salzstock von Gorleben angeführt, in dem seit Jahrzehnten geforscht und evaluiert wird, um endlich eine atomare Endlagerstätte zu finden, doch bislang ohne Erfolg.
Doch auch wenn „Vom Ordnen der Dinge“ in manchen Momenten einen analytischen Anspruch hat, in allererster Linie porträtieren die Regisseure Menschen – vermutlich nicht zufällig fast ausschließlich Männer – die sich mit skurrilen Dingen beschäftigen. Dass sie die teils etwas wunderlich wirkenden Typen, die sie dabei vor die Kamera geholt haben, mit großem Respekt porträtieren, ohne sich über ihre merkwürdigen Beschäftigungen lustig zu machen, lässt „Vom Ordnen der Dinge“ zu einem sympathischen Film über ungewöhnliche Menschen werden.
Michael Meyns