Mit wildem Sex beginnt Olivier Ducastel und Jacques Martineaus Liebesfilm "Théo & Hugo" und endet genau 93 Minuten später mit einer zärtlichen Umarmung. In dieser kurzen Zeit erleben die beiden Hauptfiguren erste Höhe- und Tiefpunkte einer beginnenden Beziehung, lassen sich durch die Pariser Nacht treiben, in Realzeit erzählt, in flirrenden Bildern gefilmt, in einem emotionalen und mitreißenden Filmerlebnis.
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OT: Théo & Hugo dans le même bateau
Frankreich 2016
Regie & Buch: Olivier Ducastel & Jacques Martineau
Darsteller: Geoffrey Couet, Francois Nambot, Mario Fanfani, Jeffry Kaplow, Claire Deschamps, Georges Daaboul
Länge: 97 Minuten
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 20. Oktober 2016
FILMKRITIK:
In einem Sexclub in Paris begegnen sich Théo (Geoffrey Couet) und Hugo (Francois Nambot), sehen sich in die Augen, küssen sich, haben ekstatischen Sex, der alles verändert. Gemeinsam verlassen sie im Morgengrauen den Club, laufen durch die fast menschenleeren Straßen der französischen Metropole, genießen den Moment bis Théo gesteht, kein Kondom benutzt zu haben. Völlig entsetzt reagiert Hugo zunächst auf diese Nachricht, denn er ist seit Jahren HIV positiv, lebt mit dem Virus, das zwar nicht mehr tödlich ist, aber doch ein Teil seines Lebens ist. Er begleitet Théo zum Krankenhaus, wo sofort eine Medikamententheraphie eingeleitet wird. Inzwischen ist es kurz nach fünf, die Stadt erwacht langsam, doch die Wege von Theó und Hugo trennen sich nicht, auch wenn sie immer wieder vor der Wahl stehen, einen gemeinsamen Weg zu beginnen oder es bei dieser einen, wilden Nacht bewenden zu lassen.
Mit einer langen, expliziten Sexszene beginnt der neue Film des Regieduos Olivier Ducastel und Jacques Martineau, deren Filme stets zumindest auch um homosexuelle Figuren kreisten, aber noch nie so explizit wie hier. Doch was als wilde Orgie in einem Sex-Club beginnt, wird bald zur zärtlichen Zweisamkeit zwischen Théo und Hugo, die sich im Gerangel zahlloser nackter Körper finden und alles um sie herum vergessen. Dass dazu auch ein Kondom gehört lässt sie im selben Boot sitzen, wie der Originaltitel andeutet, wird sie vielleicht das selbe Schicksal teilen lassen, ein Schicksal allerdings, dass kein Todesurteil mehr ist, wie noch in den 80er Jahren.
Auf ihrem Weg durch die Nacht, einem lose strukturierten Weg vorbei an Hochbahngleisen und Kanälen, durch Gassen und über Boulevards, begegnen das Duo unterschiedlichen Figuren, die ihr Leben kontrastieren: Ein syrischer Imbissverkäufer erzählt etwa von der Freiheit, die er in seinem Land nicht hatte, die in Frankreich aber oft weniger wahr genommen wird, einfach weil sie als selbstverständlich erscheint. Oder eine ältere Frau in der ersten morgendlichen Metro, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit als Putzfrau ist, einen anderen Job gibt es für sie nicht, trotz ihres Alters.
Unterschiedliche Lebensentwürfe, Vorstellungen von Freiheit, den hedonistischen Möglichkeiten der Großstadt; von all dem erzählen Ducastel und Martineau ganz beiläufig, ohne dabei den Kern ihres Films aus den Augen zu verlieren: Eine beginnenden Beziehung, die mit purer körperlicher Attraktion begann, doch schnell zu mehr wird. Dass "Théo & Hugo" in Echtzeit gefilmt ist, das erste Bild mit der Einblendung 4.27 beginnt und am Ende die Uhr 6.00 anzeigt verleiht dieser Reise durch die Nacht besondere Intensität und macht sie zu so einem besonderen, intensiven Liebesfilm.
Michael Meyns