Landstück

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Über 50 Dokumentarfilme hat Volker Koepp im Laufe seiner langen Karriere schon gedreht, sich dabei aber selten in die weite Welt begeben. Die kontinuierliche Beschäftigung mit einer relativ kleinen Region trägt nun zusätzliche Früchte und erlaubt es Koepp, seine eigenen, älteren Filme zu zitieren, um die Veränderung einer Region, in diesem Fall der Uckermark, noch deutlicher zu veranschaulichen. Auch dieser Aspekt macht seinen neuen Film „Landstück“, trotz mancher didaktischer Momente, so sehenswert.

Webseite: www.salzgeber.de

Deutschland 2016 - Dokumentation
Regie: Volker Koepp
Länge: 122 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 3. März 2016
 

FILMKRITIK:

In Stettin, dem heutigen Szczecin, wurde Volker Koepp 1944 geboren, als die Stadt in der Uckermark noch Teil Deutschlands war. Das Schicksal eines aus der Heimat vertriebenen war immer eine der Triebfedern seiner Filme, egal ob er für seine auch über Deutschland hinaus bekannt gewordenen Filme „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“ im ehemaligen Lemberg drehte oder in anderen Teilen des ehemaligen Deutschen Reichs Geschichten von Menschen und Regionen erzählte, ohne dabei auch nur den Hauch von Revisionismus zu erwecken.

Auch in die Uckermark zog es Koepp immer wieder, für den 1976 gedrehten „Das weite Feld“ oder „Uckermark“ von 2002. Sieht man nun in „Landstück“ Ausschnitte aus diesen Filmen wird einerseits der Wandel der Landschaft deutlich, andererseits aber auch die große Kontinuität. In den Bildern von damals sieht man da etwa Frauen auf dem Feld, wie sie Steine auf einen Laster laden, um den Acker für die Saat vorzubereiten. In den Bildern von heute ist dann eine alte Frau zu sehen, vielleicht eine der Frauen von damals, die nun auf einer Bank vor ihrem Haus sitzt, am Rand eines Feldes, dass nun von jüngeren Männern von Steinen befreit wird. Immer wieder setzt Koepp solche Gegenüberstellungen ein, die den Kern seines doppeldeutig betitelten neuen Films bilden.

Denn „Landstück“ ist nicht nur ein Stück, ein Film über ein Land, eine Region im Nordosten Deutschlands, sondern auch ein Film über Landstücke, über Parzellen, die von unterschiedlichen Bauern auf unterschiedliche Weise bestellt werden. Die industrielle Landwirtschaft, die riesige Flächen zum Anbau von Monokulturen aufgekauft hat, interessiert Koepp dabei nicht, sie spielt nur in den Gesprächen mit Landwirten und Biologen eine Rolle, die sich für eine andere Art der Landwirtschaft einsetzen, für einen Erhalt der Kulturlandschaften. Dass dieser Aspekt so offensiv im Mittelpunkt des Films steht, verleiht „Landstück“ im Gegensatz zu vielen anderen Filmen Koepps, die im besten Sinne des Wortes Dokumentationen waren, bisweilen einen didaktischen Ansatz. Der allerdings stets unterschwelliger bleibt als in den zahlreichen Dokumentarfilmen jüngerer Vergangenheit, die sich für eine ökologischere Landwirtschaft einsetzten.

Die Qualitäten von Koepps Herangehensweise überwiegen jedoch auch hier: Ein neugieriger Blick auf eine Region und die Menschen, die mit ihr verbunden sind, lange Gespräche, in denen Koepp oft auch Minutenlang zuhört, seine Gesprächspartner gedanklich mäandern lässt, sie nicht zu einer für seine Intention passenden Aussage drängt, sondern einfach nur zuhört. Wie über die Vielfalt der Insekten und Pflanzen in einem natürlich wachsenden Acker geredet wird etwa oder über den Nutzen bestimmter Pflanzen für bestimmte Tiere, der Kreislauf der Natur also, der durch industrielle Monokulturen zerstört wird. Und ganz unterschwellig schwingt in dem ohnehin schon vielfältigen, reichen „Landstück“ auch ein politisches Statement mit, wenn es um die Zwangskollektivierungen zu DDR-Zeiten geht, die nach der Wende für kurze Zeit einer Phase der Privatisierung wich, die nun wiederum aber längst der Tendenz gewichen ist, die einstmals tatsächlich blühenden Landschaften, durch Monokulturen an den Rand des Ruins zu bringen.
 
Michael Meyns