Eine Komödie über Panikattacken und Angsterkrankungen zu machen, ist ein ehrgeiziges Vorhaben, zumal in Deutschland, wo der Hang zur Selbstbespiegelung oftmals den Humor erstickt. Sonja Heiss hat die Aufgabe halbwegs couragiert gelöst, was vor allem der guten Hauptddarstellerin zu danken ist: Mit einigem Charme und ohne Betroffenheitsduselei spielt Laura Tonke eine liebenswerte Frau, die versucht, sich nicht unterkriegen zu lassen und auch in den größten Untiefen der Depression ihren Humor und ihre Schlagfertigkeit zu behalten.
Webseite: www.hedi-schneider.com
Norwegen/Deutschland 2015
Buch und Regie: Sonja Heiss
Darsteller: Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche, Melanie Straub, Simon Schwarz, Margarita Broich
Kamera: Nikolai von Graevenitz
Länge: 92 Minuten
Verleih: Pandora Film
Kinostart: 7. Mai 2015
Pressestimmen/Auszeichnungen:
"So cool, so ernst: Ein leichter Film, der selbst in schrecklichen Situationen seinen Witz nicht verliert."
Der Tagesspiegel
"Sonja Heiss' Film zeigt mehr als ein Einzelschicksal, nämlich das Dilemma junger Großstadtfamilien: Das Streben nach Glück droht zum Dogma zu werden, Selbstverwirklichung zum trügerischen Heilsversprechen. Dass "Hedi Schneider" trotzdem ohne erhobenen Zeigefinger auskommt, stattdessen einen jederzeit mitfühlenden Ton anschlägt, ist dem warmherzigen, nie aber betulichen Humor von Sonja Heiss zu verdanken. Er bringt einem die Figuren näher, als es eine schwermütige Krankheitsgeschichte vermocht hätte. ...dem Film gelingt seine ambitionierte Gratwanderung: glaubhaft von den Folgen einer seelischen Erkrankung zu erzählen, ohne dem Zuschauer die Figuren zu sehr zu entfremden. Humor ist dabei der Zuckerguss, der die bittere Pille erträglich schmecken lässt."
Der Spiegel
"Was beginnt wie eine heitere und herrlich entspannte Komödie, entwickelt sich nach und nach zu einer intensiven Geschichte voller ernsthafter Momente. Denn so wie das heitere und stets gutgelaunte Wesen Hedis entschwindet, desto ernsthafter wird auch ihr Zustand. Dank eines großartigen Drehbuchs und der kongenialen Hauptdarstellerin Laura Tonke gelingt es der Regisseurin Sonja Heiss, trotz Traurigkeit auch immer wieder Leichtigkeit in die Erzählung zu bringen. ...Das Krankheitsbild wird glaubhaft dargestellt und auch der wichtige Aspekt des Umgangs der Familie damit wird nachvollziehbar vermittelt. ...ein Glücksfall im deutschen Erzählkino. Ein Film, der unterhält und fordert, der begeistert und berührt. - Prädikat besonders wertvoll."
FBW
FILMKRITIK:
Hedi Schneider ist eine moderne, junge Frau mit allem, was man so zum Glücklichsein braucht: Sie hat einen liebevollen Ehemann, einen entzückenden kleinen Sohn und einen nicht allzu anstrengenden Job. Doch eines Tages ist Schluss mit der Familienidylle, denn Hedi wird plötzlich von Angstzuständen geplagt, die sich nur mit Beruhigungsmitteln eindämmen lassen. Aus der fröhlichen, aktiven Frau wird ein weitgehend passives Wesen, das sich krankheitsbedingt vor allem um sich selbst kümmert. Das ist für Hedis Mann Uli und für ihren Sohn Finn nur schwer zu ertragen. Trotzdem versuchen sie einzeln und gemeinsam alles Mögliche, um Hedi zu helfen, ihren Optimismus und damit auch sich selbst wiederzufinden. Es dauert eine Weile, bis es Hedi besser geht. Doch als es so weit ist, hat sie Uli schon fast verloren.
Wie kann man aus so einem ernsthaften Stoff eine Komödie machen? – Als Zutaten benötigt man neben einer großen Portion Courage vor allem Humor, nach Möglichkeit in einer situationsgerechten Ausprägung, so dass die Krawallkomik absolut ungeeignet wäre. In diesem Fall ist Selbstironie das erste Mittel der Wahl, zusätzlich gewürzt mit Dialogwitz und einer Prise Situationskomik. Dies zeigt sich an Hedis Umgang mit ihrer Krankheit ebenso wie an ihren Versuchen, sie wieder los zu werden. Dabei hilft ihr Uli, der mit seiner sensiblen, liebenswürdigen Art beinahe wie ein gut ausgebildeter Psychologe zu Werke geht, allerdings mit dem Unterschied, dass er unter Hedis Ängsten und Stimmungsschwankungen am meisten leidet. Ihretwegen verzichtet er sogar auf seinen Traumjob. Dass er irgendwann an seine emotionalen Grenzen kommt, ist ebenso naheliegend wie verständlich. Hans Löw spielt den Uli als Musterbeispiel eines Partners, der praktisch alle idealen Eigenschaften eines Ehemannes und Vaters in sich vereint. Dies gelingt Hans Löw sehr authentisch dank einer sensiblen Ausstrahlung, die ihn in seiner engelsgleichen Geduld weder als überfürsorglich noch als Softie erscheinen lassen.
Laura Tonke bringt sowohl im Spiel als auch in ihrer äußerlichen Erscheinung alles mit, was Hedi Schneider ausmacht. Da ist die Neigung zu alberner Kleidung, die ihr etwas Kindliches gibt – vielleicht auch ein Symbol für den Wunsch, nicht erwachsen zu werden. Da ist aber auch die Lebensfreude, die sie ausstrahlt und die sie trotz ihrer Krankheit nie ganz verlieren wird, obwohl es manchmal so aussieht, als würde sie nun endgültig ins Reich der Depression abgleiten. Wie Laura Tonke diese schwierige Rolle bewältigt, ist einfach toll. Phasenweise dämmert Hedi nur noch vor sich hin, oder sie wankt, dank ihrer Tranquilizer, die sie in Höchstdosierung einnimmt, glückselig durch die Gegend. Die Hedi vom Anfang, diese liebenswerte, unbeschwerte, junge Frau wird nicht mehr zurückkehren, und Laura Tonke spielt die Veränderung mit sehr viel Überzeugungskraft.
Sonja Heiss hat selbst einige Zeit unter einer Angststörung gelitten, daher kennt sie sich gut aus mit dem Krankheitsbild, und das wird beinahe überdeutlich. Eines ihrer Anliegen ist wohl auch, zu zeigen, dass es keinen direkten Auslöser dafür geben muss, dass es jeden treffen kann. So verwendet sie zu Beginn viel Zeit auf die mehr oder weniger alltäglichen Katastrophen, die möglicherweise dazu beitragen könnten, dass ausgerechnet die lebenslustige Hedi angstgeschüttelt zusammenklappt. Da gibt es unter anderem: eine tote Tante, das Rumgenerve und den Selbstmordversuch eines Kollegen sowie das titelgebende Feststecken im Fahrstuhl. Ein wenig mehr Vertrauen auf die Fantasie und den Verstand des Publikums wäre hier wünschenswert gewesen. Doch auch wenn das Drehbuch manchmal etwas unentschlossen zwischen Informationsvermittlung und Geschichtenerzählen schwankt, auch wenn die Leichtigkeit gelegentlich etwas gezwungen wirkt, so sind es doch die großartigen Darsteller und die angenehm natürlichen Dialoge, die den Film sehenswert machen – als kleine Komödie, die mutig mit Angst umgeht.
Gaby Sikorski