Im Fall von Mirjam Leuzes Dokumentarfilm „Flowers of Freedom“ trifft die Bezeichnung Brave Hearts hundertprozentig zu. Über Jahre beobachtete die Regisseurin eine Gruppe von Frauen, die in der zentralasiatischen Republik Kirgistan gegen Korruption und Umweltverschmutzung kämpfen. Herausgekommen ist ein sehenswertes Porträt von beispielhafter Zivilcourage.
Webseite: www.braveheartsinternational.com
Deutschland 2014 - Dokumentation
Regie: Mirjam Leuze
Länge: 110 Minuten
Verleih: BraveHearts International
Kinostart: 26. März 2015
FILMKRITIK:
Nach dem Zerfall der Sowjetunion haben sich am Rand des einstigen Riesenreichs zahlreiche kleinere Staaten gebildet, die ein gutes Vierteljahrhundert später mehr oder weniger stabil sind. Doch während Konflikte in Georgien und besonders der Ukraine im Westen mit wesentlich größerer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, finden die Probleme in den kleineren zentralasiatischen Staaten kaum Beachtung. Das mag daran liegen, dass die autokratischen Herrscher von Turkmenistan oder Usbekistan ihre Bevölkerung weitestgehend ruhig halten, aber auch an den vielfältigen Bodenschätzen, die den Staaten strategische Bedeutung verleihen und den Westen dazu verleiten, über Menschenrechtsverletzungen hinwegzusehen.
Dies ist auch in Krigistan (manchmal auch Kirgisistan oder Kirgisien genannt), dem östlichsten der „Stans“ der Fall, wo große Goldvorkommen internationale Investoren anlocken. Solche aus dem Nachbarland China, aber auch aus dem Westen, die zum Beispiel in Barskoon, an der Südseite des Issyk-Köl-Sees Gold abbauen. Das geschieht nicht mehr so malerisch wie einst bei Onkel Dagobert in Klondike, sondern mit Hilfe hochgiftiger Chemikalien, mit denen Gold aus dem Gestein gelöst wird. Und diese Chemikalien verursachten einen verheerenden Unfall, der den See zu vergiften drohte. Um gegen diese Bedrohung zu kämpfen und um die Bevölkerung an den Reichtümern teilhaben zu lassen, gründete Erkingül Imankodjoeva vor einigen Jahren die Umweltorganisation Karek, was auf Deutsch Pupille bedeutet. Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen kämpft sie gegen die allgegenwärtige Korruption, gegen unter der Hand vergebene Schürfrechte, gegen die Ignoranz der internationalen Gemeinschaft.
Seit 2008 verbrachte die deutsche Ethnologin und Filmemacherin Mirjam Leuze immer wieder Zeit mit den Frauen von Karek, filmte sie bei ihren Aktionen, aber auch ihren Alltag, ihr ganz normales Leben, das teils noch ganz traditionell abläuft (man denke an die auch bei Touristen so beliebten Jurten), das aber längst von den Strömen des internationalen Kapitalismus erfasst wurde.
Etwa in der Mitte der Dokumentation steht die weitestgehend friedlich verlaufende Revolution von 2010, durch die der amtierende Präsident Kurmanbek Bakiev aus dem Amt gejagt wurde. Bei der folgenden Parlamentswahl wurde auch Erkingül Imankodjoeva gewählt und setzt nun in offizieller Funktion ihren Kampf für Gerechtigkeit und Entschädigungszahlen für die Anwohner fort. All das zeigt Leuze mit großer Sympathie für ihre Protagonistinnen, aber doch mit genügend dokumentarischer Distanz. So ist „Flowers of Freedom“ kein flammendes Pamphlet, sondern etwas viel Interessanteres: Eine Dokumentation im besten Sinne des Wortes, die eine Lebenswelt zeigt und die Menschen und Ereignisse für sich selbst sprechen lässt.
Michael Meyns