Dieses Sommergefühl

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Der plötzliche Tod einer jungen Frau stürzt deren nächste Angehörige in eine tiefe Trauer. Der französische Regisseur Mikhaël Hers mäandert in seinem Drama „Dieses Sommergefühl“ zwischen den Protagonisten Zoé und Lawrence, der Schwester und dem Liebhaber der Verstorbenen, die sich in drei aufeinander folgenden Jahren im Sommer treffen und gegenseitig Trost spenden. Mikhaël Hers setzt auf leise Zwischentöne und inszeniert das Drama auf eine sehr lebensnahe, angenehm beiläufige Weise. Beim Bordeaux International Independent Film Festival gewann die deutsch-französische Koproduktion dafür den Großen Preis der Jury.

Webseite: rendezvous-filmverleih.de

OT: Ce sentiment de l'été
Frankreich, Deutschland 2015
Regie: Mikhaël Hers
Drehbuch: Mikhaël Hers
Darsteller: Anders Danielsen Lie, Judith Chemla, Marie Rivière, Féodor Atkine, Dounia Sichov, Stéphanie Daub-Laurent, Lana Cooper
Länge: 106 Min.
Verleih: Rendezvous Filmverleih
Kinostart: 3. November 2016
 

FILMKRITIK:

Die Französin Sasha (Stéphanie Déhel) und der Amerikaner Lawrence (Anders Danielsen Lie), beide um die 30 Jahre, leben als Liebespaar in Berlin und genießen das schöne Leben. Doch dann bricht Sasha auf dem Heimweg von der Arbeit aus heiterem Himmel im Park zusammen und stirbt kurz darauf im Krankenhaus. Für Lawrence und Sashas Schwester Zoé (Judith Chemla) beginnt eine Zeit der Trauer, die nicht nur wenige Wochen oder Monate, sondern Jahre anhält. In drei aufeinander folgenden Sommern treffen sich Lawrence und Zoé in Berlin, Paris und New York und teilen ihren gemeinsamen Schmerz über Sashas überraschenden Tod.
 
Der französische Regisseur Mikhaël Hers legt „Dieses Sommergefühl“ zu gleichen Teilen als Trauerstudie und als Porträt der kosmopolitischen 30-something-Generation an. Der Erzählton schwankt zwischen Melancholie und Leichtigkeit und kommt den stark gespielten Figuren, denen das Drama abseits der Treffen abwechselnd folgt, in griffigen Alltagssituationen sehr nahe. Während Zoé und Lawrence bei ihren sommerlichen Besuchen in Parks abhängen oder auf Dächern Partys feiern ist ihre Trauer und tiefe Verunsicherung jederzeit spürbar, ohne dass Mikhaël Hers jede Gefühlsregung explizit ausbuchstabiert. Sein Drama funktioniert mit kleinen Gesten und Blickwechseln, mit Stimmungen und einem Gespür für die Figuren. Der Kern der Tragödie ist auch ohne Aufdringlichkeit in jeder Szene spürbar.
 
Drei Sommer umfasst die erzählerische Spanne des Dramas, das auf körnigem 16mm-Filmmaterial gedreht wurde. Nach dem stillen Auftakt, in dem wir Sasha zur Arbeit in einem Künstlerhaus begleiten, entspinnt sich die weitere Handlung vor allem in zahlreichen Dialogen, die wie aus dem Leben gegriffen wirken und viel zur authentischen Atmosphäre beitragen, die den Film kennzeichnet. Wenn die Protagonisten Zoé und Lawrence durch die Weltstädte flanieren, findet Kameramann Sébastien Buchmann ungewöhnliche Stadtimpressionen abseits der typischen Postkartenbilder. So entfaltet sich „Dieses Sommergefühl“ vor allem in Momentaufnahmen, zwischen den Zeilen und durchweg auf angenehm leisen Sohlen.
 
Christian Horn